Jenny Carstens

Anmoderationsvorschlag:

Jahre lang herrschte in der Öffentlichkeit Schweigen über das Thema. Über satanistische Kulte und brutale rituelle Praktiken sprachen allenfalls Religionswissenschaftler, Sektenexperten und Therapeuten. Heute dringt das Thema immer häufiger an die Oberfläche. Immer mehr Frauen berichten von unglaublichen Qualen, die sie bei rituellen Handlungen durchlitten haben. Polizei und Staatsanwaltschaften ermitteln. Auch in Ostwestfalen-Lippe.

Seit Nicki, eine 40jährige Frau aus Gütersloh, vor anderthalb Jahren im Fernsehen auftrat und von ihrer Kindheit in einem satanistischen Kult erzählte, melden sich immer mehr Frauen bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Das, was sie erzählen, klingt unglaublich. Sie berichten davon, als Kinder von Satanisten missbraucht und gefoltert worden zu sein. Selbst von Kindstötungen im Namen Satans ist die Rede. Die Brutalität ihrer Geschichten ist monströs – so monströs, dass man geneigt ist, weg zu hören. Kann es so etwas mitten im ländlichen Ostwestfalen-Lippe geben? Ohne dass es jemand bemerkt? – Ja, sagt die Bielefelder Therapeutin Uta Behnke. Satanismus ist ein Tabuthema. So wie es auch sexueller Missbrauch vor Jahren war.

O-Ton Uta Behnke: Sollte es überhaupt passieren, dass jemand mal als Kind davon erzählt, werden alle sagen, das Kind hat eine überschäumende Phantasie oder sieht zu viele Gewaltfilme oder hat so was gelesen. Es wird ihr niemand glauben.

Seit „Nicki” ihren Fall zur Anzeige brachte, müssen zumindest Polizei und Staatsanwaltschaften zuhören. Aber ihre Ermittlungen gehen nur langsam voran: Die Taten liegen häufig lange zurück, weil die Frauen erst jetzt in der Lage sind, über das Erlebte zu sprechen. Für Karl-Heinz Stehrenberg von der Polizei Gütersloh ein Problem:

O-Ton Stehrenberg: „Erstens sind Zeugen von damals vielleicht nicht mehr vorhanden, die uns helfen könnten, irgendwelche Aussagen zu treffen. Zweitens: Gedächtnislücken sind vorhanden bei Zeugen, die möglicherweise da sind. Und gleichwohl kommt dazu, dass natürlich auch die Aussage des mutmaßlichen Opfers auch recherchierbar sein muss. Und das heißt: Wenn 30 Jahre zurückliegen ist es schwer, Ansatzpunkte zu finden für Aussagen.”

Trotz der schwierigen Beweisführung ist die Akte „Nicki” noch nicht geschlossen worden. Die Paderborner Staatsanwaltschaft ermittelt weiter. Dabei dreht sich alles um „Nickis” Aussage, sie habe ihr eigenes Kind in der Wewelsburg bei Paderborn töten müssen. Sie galt und gilt bislang vor allem in rechtsradikalen und heidnischen Kreisen als Kultort. Jetzt scheint es, als sie auch für Satanisten von Bedeutung. Staatsanwalt Ralf Vetter liegen allein drei weitere Aussagen von Frauen vor, die ebenfalls die Wewelsburg als Tatort nennen. Die Frauen berichten von nächtlichen Messen in der Gruft, Folter und Missbrauch im Säulensaal. Einweihungsriten im Hof. Eine der Frauen erklärte, sie kenne Nicki. Sie habe mit ihr zusammen an Messen teilgenommen und sei ebenfalls bei einer Kindstötung in der Wewelsburg dabei gewesen. Trotzdem meint Ralf Vetter, die Wewelsburg als Tatort ausschließen zu können.

O-Ton Vetter: Es ist sehr schwierig, wir haben keine eindeutigen Beweise. Wir haben versucht, mit dem BKA zu ermitteln. Leider haben wir keine positiven Beweise gefunden. Das besagt aber auch nicht, dass die Straftaten dort nicht stattgefunden haben.

Die Betreiber des Burgmuseums haben inzwischen bestätigt, dass die Wewelsburg für Satanisten durchaus Anziehungskraft hat. 1993 verewigte sich der bekennende Satanist Michael Aquino im Gästebuch. Er spürte hier der angeblichen schwarzmagischen Atmosphäre nach. Im Herbst letzten Jahres ließ sich die Münchner Gruppierung Ave Satani unter falschem Namen durch die Burg führen. Auf den Internetseiten des Temple of Seth, einer der großen satanistischen Orden, findet sich die Burg gleich auf der Startseite.

Aber auch wenn die Burg als magischer Ort für Satanisten interessant ist – es ist noch kein Beweis dafür, dass hier Schwarze Messen mit brutalen Sex-Ritualen oder Opferungen stattgefunden haben. Zumindest kann dies für die letzten Jahre ausgeschlossen werden. Die Alarmanlage protokolliert jeden Besucher lückenlos, sagt die Staatsanwalt.

Hinweis für die Abmoderation:
Die ARD sendet heute (Dienstag) um 23.00 Uhr ein NDR-Feature mit dem Titel „Höllenleben – Der Kampf der Opfer”. Es ist der Nachfolgefilm vom Liz Wieskerstrauch, die sich im Dezember 2001 mit Nicki auf die Spurensuche gemacht hat. In dem Film beschreiben Frauen, welche Grausamkeiten sie in Kulten erlebt haben. Eingeordnet wird das Erlebte u.a. vom Sektenbeauftragten der Ev. Kirche Ingolf Christiansen.