Samstag 15.12.2001
Angeblich auch heute noch ritueller Kindesmissbrauch Paderborn/Gütersloh. ,,Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass unsere Mandantin kein Einzelfall ist”. Das hat gestern die Bielefelder Rechtsanwältin Heidi Saarmann erklärt. Ein Schicksal wie das der 40-jährigen Gütersloherin, die in ihrer Kindheit in satanischen Ritualen misshandelt worden sein soll, hätten offenbar auch andere Frauen erlebt. Die Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaften Paderborn, Bielefeld und Osnabrück aufgenommen haben, gestalten sich schwierig. < ,,Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte”, sagte der Paderborner Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann gestern. Die Kripo versuche, aber Angaben der Gütersloherin zu verifizieren, aber angesichts der Umstände – der lange Zeitabstand zu den Taten, die gespaltene Persönlichkeit des Opfers und die Methoden der Satanisten, Aussagen zu verhindern – erschwere die Suche. Wie gestern berichtet, soll eine Satanssekte die Gütersloherin nach deren Aussage über mehr als zehn Jahre rituell gefoltert und missbraucht haben. Sie soll sie gezwungen haben, zwei neugeborene Babies zu töten, darunter ihr eigenes. Heidi Saarmann, juristischer Beistand der 40-jährigen Verwaltungsangestellten, sagte, eine Kollegin betreue einen anderen Fall von ritueller Gewalt auf der Wewelsburg. Die Parallelen seien groß. Die Anwalts – Kollegin wolle nicht genannt werden, um keine Rückschlüsse auf den Wohnort des Opfers zuzulassen. Saarmann sagte, sie habe gestern außerdem einen anonymen Anruf einer Frau bekommen, die ebenfalls im Mädchenalter von Satanisten zur Tötung ihres Kindes gezwungen worden sein soll. Ein Teil ihrer bruchstückhaften Erinnerung beziehe sich auf Geschehnisse in der Wewelsburg, bei der Kindestötung sei die Frau sich aber nicht sicher.
Die Filmautorin Liz Wieskerstrauch berichtet, beim NDR hätten sich gestern Betroffene gemeldet. Ein psychiatrischer Betreuer habe von einer weiteren Frau berichtet, die im Raum Gütersloh von Satanisten gequält worden sei. Eine ehemalige Mitarbeiterin einer Beratungsstelle in Gütersloh erzählte, sie sei sicher, dass auch heute noch Kinder im Kreis Gütersloh rituell missbraucht würden. Die Beratungsstelle „Wendepunkt”, von Stadt und Kreis getragen, bestreitet diese Aussagen jedoch, ebenso die Polizei. Die Hotline der Gütersloher Kreispolizei (o5341/869-1330) ist noch mindestens eine Woche geschaltet. Von Ludger Osterkamp
Hintergrund: Die Wewelsburg bei Paderborn Büren. Als wahrscheinlich einzige Dreiecksburg in Deutschland dürfte die Wewelsburg im Kreis Paderborn immer schon Gegenstand mythologischer Betrachtungen gewesen sein. Durch die Nationalsozialisten, die hier ab 1934 ihre „Reichsführerschule – SS” errichten, rückte der Weserrenaissance – Bau ins Zentrum des pseudoreligiösen Kultes unter dem Hitler – Regime. Die Wahl der Wewelsburg durch den Reichsführer – SS Heinrich Himmler, das belegen wissenschaftliche Untersuchungen, entschied sich vor allem an praktischen Überlegungen – vorab mitbeeinflusst durch eine gewisse landschaftliche Nähe zjm Hermannsdenkmal. Häftlinge des etwas zeitgleich von Himmler errichteten kleinsten Konzentrationslagers Wewelsburg – Niederhagen bauten 1938 – 42 zunächst die Gruft im Keller der Burg, heute noch ein Sonnenrad mit zwölf Speichen, stilisierten Runen zu sehen. Alte germanische Schriftzeichen zierten im Dritten Reich zahlreiche „Akademie”-Räume. Aufgenommen wurden diese Symbole von rechtsextremistischen Gruppen, die die Wewelsburg mit deren größer werdenden Bekanntheitsgrad verstärkt aufsuchten. Die genannten Räume waren noch Anfang der 90er Jahre leicht zugänglich, wie Museumsleiter Wilf E. Brebeck bestätigt. Nach einem Einbruch Heiligabend 1992 blieben in der Gruft weiße Tücher mit Runen – Zeichen liegen. Für eine nicht gestattete Nutzung dieser Art habe sich einmal eine Gruppe bedankt, so Brebeck, die eine „schwarze Taufe” zur Aufnahme in einen Orden beichtete.