Dies ist ein Protokoll des Workshops “Medienarbeit”, den wir von Lichtstrahlen Oldenburg e.V. auf der Tagung “Rituelle Gewalt – Das Unheimliche Unter Uns” in Münster am 24.6.2010 gehalten haben.

von Claudia Fischer, Freie Journalistin. Die Webseite der Autorin: www.verstandenwerden.de

Unsere Arbeitsgruppe war klein: Außer mir noch zwei interessierte Frauen. Eine aus einer Beratungsstelle, die andere eine Journalisten-Kollegin. Unser Austausch war entsprechend intensiv möglich.

Die dringendste Frage war: Wird man von Tätern bedroht, gerät man in ihr Fadenkreuz, wenn man sich in die Öffentlichkeit wagt? Ja, solche Fälle gibt es, häufig aber ist Öffentlichkeit auch ein sehr guter Schutz für die Opfer. Nicki zum Beispiel, die sich 2001 in einem ARD-Feature mit als erste prominent als Opfer eines satanischen Kultes geoutet hat, ist seit der Ausstrahlung des Filmes von den Tätern komplett in Ruhe gelassen worden. Wichtig ist dabei, ausreichend groß in der Öffentlichkeit zu sein bzw. die Kontakte zu halten. So ist es z.B. unter Umständen hilfreich, am Telefon oder in öffentlichen Situationen laut zu verkünden „Und wenn mir jemals was passieren sollte, weiß die Polizei/wissen die Medien auch gleich, aus welcher Richtung das kommt.“ Dieser Schutz gilt auch für JournalistInnen oder BeraterInnen.

Teilweise lassen sich mit PolizistInnen oder KollegInnen auch Codes und Regeln der Zusammenarbeit verabreden. z.B. sagte mir eine Polizistin: „Ich darf Ihnen keine Namen aus den Akten nennen, aber wenn Sie mir einen Namen nennen, den ich kenne, werde ich nachfragen „Woran recherchieren Sie noch mal?“ Und dann wissen Sie Bescheid.“

Regeln der Zusammenarbeit sollten auch RechercheurInnen oder ÖffentlichkeitsarbeiterInnen verabreden. Wie weit gehen wir? Begleiten/Verfolgen wir Opfer an Tatorte oder bis in die Nähe von Täterkontakt? Welcher Art von Hinweisen gehen wir selbst nach, welche geben wir z.B. an die Polizei weiter? Machen wir z.B. zur Bedingung, dass wir die Berichte von Betroffenen erst detailliert aufnehmen, wenn sie eine Aussage bei der Polizei gemacht haben, um eine evtl. Aussage nicht zu verfälschen? Was brauchen wir an persönlicher Sicherheit? Wie gehen wir mit eigenen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Betroffenen um? Eine Klärung solcher Fragen hilft für die Haltung im Umgang mit Betroffenen.

Medien-Anfragen beinhalten für Beratungsstellen zwei große Probleme: Erstens fragen sie meistens nur an, wenn ein Thema gerade „Hip“ ist und wollen dann sehr schnell Antworten. Und zweitens sind sie meistens auf der Suche nach Betroffenen für eine Geschichte, und die Beratungsstellen stehen vor dem Problem, ob sie ihre KlientInnen fragen wollen oder nicht. Viele haben eindeutig entschieden, keine Medienanfragen an die KlientInnen weiter zu geben, um keinen weiteren Druck aufzubauen. In der Arbeitsgruppe gab es aber auch den Appell, trotzdem im Einzelfall zu gucken. Manche Betroffenen möchten auch gerne reden, wollen, dass ihnen endlich jemand zuhört. Dann kann es die Aufgabe der BeraterInnen sein, die Bedingungen für einen solchen Medienkontakt im Sinne der Betroffenen zu begleiten. (z.B. „Das Interview kann stattfinden, aber die beste Freundin soll dabei sein, es soll in unseren Räumen sein und das Gespräch wird erst zur Veröffentlichung frei gegeben, wenn wir es noch einmal gemeinsam anschauen konnten.“) Und vielleicht wird ein Interview auch erst vermittelt, wenn das Thema eben „nicht mehr hip“ ist. So trennt man auch die Spreu vom Weizen unter den JournalistInnen – nur in Ruhe sind sensible Interviews auch wirklich möglich.

Die JournalistInnen in der Gruppe berichteten von Erfahrungen mit Verlags- bzw. senderinternen Gründen und Entwicklungen, die eine behutsame Arbeit mit Gewaltopfern erschweren. (Zeitdruck, mehrere abnehmende RedakteurInnen, oberflächliche, unsensible Abnahmen oder Moderationen usw.) Hier brauchen AutorInnen/JournalistInnen unter Umständen ein breites Kreuz, um ihre Geschichte, ihre Haltung und vor allem auch die Betroffenen zu verteidigen und zu schützen.