ARD-Film macht Stimmung gegen Traumatherapie – Stellungnahme der ISSD 2003

Die ISSD*, ein internationaler Fachverband von Traumatherapeuten, kritisiert den ARD-Film „Multiple Persönlichkeitsstörung: Wahn der Therapeuten?“ von Felix Kuballa. „Leider ist das Fragezeichen im Titel der einzige Hinweis im Film, dass es zum Thema noch Fragen gibt“, heißt es in einer Mitteilung von ISSD Deutschland. Über „die Geschichte“ zum TV-Beitrag schreibt der Verband: „Eine Deutsche und zwei US-Bürgerinnen, die vor zehn oder mehr Jahren eine Diagnose der Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) – früher Multiple Persönlichkeitsstörung genannt – erhielten, gelangten später zu der Überzeugung, dass sie nicht »multipel« seien. Sie behaupten, ihre Therapeuten hätten ihnen bizarre Geschichten von sexueller Gewalt, Kriminalität und Multipler Persönlichkeit unter Hypnose suggeriert, und verklagen diese.“

Immerhin, der Fachverband stimmt Kuballa in einem Punkt zu: „Zu Recht weist Kuballa darauf hin, dass es in der Frühzeit systematischer Diagnostik dieser seit rund 150 Jahren bekannten Störung viel Unwissen und auch Fahrlässigkeit gab. So sind etwa zehn Prozent der Diagnosen »falsch positiv«, das heißt, der Therapeut hat sich geirrt.“ Doch der Autor, so der Fachverband, begnüge sich nicht mit diesem Hinweis. „Er benutzt die drei Frauen, um die Existenz der Dissoziativen Identitätsstörung an sich zu bestreiten und Betroffene wie Fachleute unglaubwürdig zu machen. »Multiple Persönlichkeit gibt es nicht«, sagt eine der Frauen im Film, und die Experten nicken. In diesem einen Fall mag die Diagnose falsch gewesen sein. Aber gilt das auch für den Rest der Welt?“, heißt es weiter in der Stellungnahme. An anderer Stelle geht es um die Wirkung des Beitrages: „Da der Film aber ein derart einseitiges Bild von Traumatherapie zeigt und viele sachliche Fehler aufweist, steht zu befürchten, dass er trotz später Sendezeit . mehr Schaden anrichtet als Aufklärung leistet. Er kann Patienten verunsichern und Fachleute in ihrer Arbeit behindern.“ Nach Ansicht von ISSD sei die Traumatherapie selbst nicht spektakulär, „aber ihr Erfolg in den besten Fällen wohl“. Als Beispiele werden genannt: „Menschen mit Kriegstraumatisierungen können nach jahrelangen Schlafstörungen, Flashbacks, Depressionen, nach Arbeitsunfähigkeit oder Suizidalität wieder ein aktives, zuversichtliches Leben führen. Opfer von sexueller Gewalt und Kinderpornographie befreien sich von Schreckensbildern der Vergangenheit. Therapie hilft, Symptome als Folgeschäden zu mildern und beispielsweise Sucht und selbstverletzendes Verhalten – oft Versuche, Gewalterinnerungen zu verbannen – einzustellen und positive Perspektiven zu entwickeln. Und bei den aktuellen Aufdeckungen der Saarbrücker Polizei um sexuellen Missbrauch und Mord des kleinen Pascal bleibt zu hoffen, dass die überlebenden kindlichen Opfer der Bande gute therapeutische Hilfe erhalten.“

Die ISSD beschäftigt sich mit der Forschung und Fortbildung bei der Diagnostik, Behandlung und Prävention dissoziativer Störungen. Die Pressemitteilung ist abrufbar unter: Dissoc.de (Stand: 30.03.03) *International Society for the Study of Dissociation Mitteilung an die Medien nachzulesen unter: Dissoc.de

Wegen der Berichterstattung „Irak-Krieg“ fiel der Sendetermin 19.03.03 aus. Im Gespräch ist jetzt der 11.06.03, Mitternacht. Die ISSD nennt einen weiteren alternativen Sendetermin: 22.04.2003, 21 Uhr, Phoenix. Lesen Sie dazu auch die Mitteilung: „Multiple Persönlichkeit“ – nur Therapeutenwahn:
Psychologie Heute (Leider nicht mehr in deren Archiv zu finden)