Den folgenden Vortrag haben wir bei der Tagung (“ Rituelle Gewalt in satanischen Sekten“) in Bochholt am 14.05.2014 gehalten. Wir haben die Stellen, die triggern könnten, mit einem Balken gekenntzeichnet. Passen Sie gut auf sich auf.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind Nicki und die Bärenbande und viele werden uns sicherlich schon kennen. Heute werden wir ihnen einiges von unserm System erzählen. Wir können das kaum tun, ohne von Triggern zu sprechen, darum bitten wir alle hier, gut auf sich aufzupassen. Bestimmte, stark belastende Stellen werden wir zum Lesen hier an die Wand werfen und nicht laut vorlesen. Damit wollen wir Ihnen die Möglichkeit geben, einfach die Augen zuzumachen, weil wir sonst fürchten, dass einige raus gehen müssten und dann den Rest des Vortrages verpassen. Passen Sie also gut auf sich auf.
Wie war unser System damals aufgebaut? In den Neuziger Jahren in der Therapie lernten wir, eine innere Landkarte aufzubauen und da wurde einigen von uns klar, dass wir verschiedene Abteilungen in uns haben und diese Abteilungen beschreiben wir ihnen jetzt.
Unser System war in drei Abteilungen aufgeteilt.
Die erste Abteilung hat den Missbrauch von dem Stiefvater und unserer Mutter überleben müssen und auch das Training für bestimmte Kult – Tätigkeiten. Diese erste Abteilung musste aber gleichzeitig auch den Alltag meistern: Schule, Beruf, Einkaufen usw. In dieser Abteilung lebten 13 Innenpersonen, auch einige kleine Kinder.
In der zweiten Abteilung lebten 40 Innenpersonen, die ausschließlich für den Kult zuständig waren. Sie wurden dafür erzogen, abgerichtet. Sie lernten, ohne Essen und Trinken auszukommen. Diese Abteilung wurde trainiert mit Ekeltraining, Schlafentzug, usw. Und es lebten viele Kinder in der Abteilung. Aber auch die täterhörigen Innenpersonen wie Burghardt, Tony, Susi und ihr Zwillingsbruder Micha, Aum, Chan und viele mehr. Dabei gibt es Schnittmengen: Gina zum Beispiel gehörte zur ersten Abteilung, aber auch zu der zweiten Abteilung ( denn sie war eine Person, die unheimlich viel ertragen konnte, nichts fühlte, sich wehrte und alles tat was man von ihr verlangte ).
Und in der letzten Abteilung waren Personen, die niemals an die Oberfläche kommen durften und auch nie rausgekommen sind, Sie wurden in der Therapie eingeschlossen und dann auch entfernt. Wie erfuhren wir von dieser Abteilung? Durch unseren „Beobachter“, eine Innenperson. Er nahm Kontakt mit unserer Therapeutin auf in schriftlicher Form. Er erzählte ihr von der Abteilung und dass dort Personen sind, die von den Täter/innen erschaffen wurden und niemals an die Oberfläche kommen durften, da sie sonst alles vernichten würden.
Dies haben wir nach und nach in unserer Therapie erarbeitet und durch unsere inneren Konferenzen, um uns gegenseitig kennenzulernen.
Die erste Abteilung hat in der Gegenwart gelebt, hat das heutige Leben gelernt und auch weitergeführt wie Schule, Beruf, einfach alles. Aber die zweite Abteilung kannte nichts davon, nur den Kult.
Als wir Jahr für Jahr intensiver in der Therapie arbeiteten, fing es an, dass uns die zweite Abteilung blockierte, indem sie Briefe an die Therapeutin schrieben oder auch den Körper verletzten und auch nicht mehr zur Therapie wollten. Wir mussten bitter erfahren, wie schwer es war, diese Personen aus der zweiten Abteilung zu akzeptieren. Ihren Hass auf alles, was in dieser Welt ist. Auch unsere Therapeutin bekam das bitter zu spüren – nicht körperlich sondern in langen Briefen, Anrufen usw. Aber sie kannten ja nichts anderes! Sie mussten ja erst mal die neue Welt kennenlernen, sie mussten lernen, ohne Gewalt zu leben im Außen und im Inneren. Was viele Jahre gedauert hat.
Wie kam es zu den Aufspaltungen bei uns?
Wir möchten hier jetzt hier mal ein Training beschreiben was unsere Mutter mit uns gemacht hat. Wie gesagt, werden wir diesen Text jetzt an die Wand werfen. Sie können ihn lesen oder die Augen schließen. Viele hier werden ja bereits wissen, wie es zu solchen Spaltungen kommt.
Vorsicht Trigger:
(((Gina sitzt am Küchentisch und soll ein rohes Herz ( Schweineherz ) essen. Sie versucht es und bricht es aus. Sie wird mit einem Elektroschocker gequält und muss das Erbrochene wieder essen. Bricht immer wieder und wieder, sie hält es nicht mehr aus diese Schmerzen am Körper sie will nur noch sterben und in diesem Moment entsteht eine neue Person und diese Person macht dann weiter, bis diese Quälerei aufhört. )))
Trigger Ende
Diese Todesangst wurde damals immer wieder geschürt mit vielen verschiedenen Ritualen bei uns. Wir möchten hier wirklich nicht näher ins Detail gehen, denn das würde viele Betroffenen extrem belasten. Wir denken, dass viele auch unseren Film ,,Höllenleben“ gesehen haben und daher wissen oder ahnen, was wir überlebt haben.
Auch mussten wir selbst Straftaten an Kindern begehen. Damit hat der Kult versucht, uns an sich zu binden. Wir mussten Kinder quälen, wir wurden dazu gezwungen. Das hat uns sehr lange belastet, denn wir haben uns sehr schuldig gefühlt, dass wir selbst Kinder misshandelt haben. Erst durch unsere Therapie wurde uns bewusst, dass wir keine andere Chance hatten damals, denn sonst hätten sie uns getötet oder uns noch mehr gefoltert.
Das schlimmste für uns waren die Programmierungen. Das Selbsttötungsprogramm, Selbstverletzungen, der Zwang, alles weiterzugeben an die Täter/innen, was wir in der Therapie erarbeitet haben. Bestimmte Farben oder, Zahlen waren extreme Auslöser für uns. Erst durch das Erarbeiten in der Therapie und durch eine bestimmte Innenperson, die sich ,,Wissender“ nannte, konnten wir diese Programmierungen zusammen mit unserer Therapeutin löschen bzw. ins Positive wenden. Und für uns einen guten und sicheren Ausstieg hinbekommen, um keine Informationen mehr an die Täter/innen zugeben.
Unsere Gruppe bzw. Sekte
Wir wissen heute wie der Name der Sekte ist, aber wir möchten ihn hier nicht nennen. Gudio Grandt hat es damals herausgefunden bei seinen Recherchen zu unserem Film ,,Höllenleben“. Alles, was diese Sekte uns immer und immer wieder beigebracht hatte, dreht sich um eine zentrale Aussage, die ebenfalls viele Betroffene hier im Raum stark triggern kann, deshalb auch dieses nur schriftlich an der Wand:
Vorsicht Trigger:
((((,,Tue, was du willst, sei das ganze Gesetz. Satan hat die Macht über die Welt, Gott ist ein Nichts.“))))
Trigger Ende
Wir wurden verkauft an Männer und Frauen
Unsere Mutter hat uns verkauft an Männer und auch an Frauen – vielleicht, um uns zu trainieren, aber auch, um Geld mit uns zu verdienen. Auch wurden Filme von uns gemacht.
Wo fanden Rituale statt
Rituale fanden in Burgen, Ruinen, Wäldern und auf Friedhöfen statt. Es waren bis zu 15 Personen dabei. Manchmal auch mehr, wenn große Treffen waren. Es gab auch in kleineren Kreisen massive Misshandlungen in Privatwohnungen, aber das bezeichnen wir nicht als Rituale, sondern eher als Aufnahmen und Abrichtungen.
Warum wollten wir den Ausstieg?
Als wir von Jahr zu Jahr immer mehr in der Therapie lernten, wie schön ein Leben sein kann, und unsere Therapeutin bei uns blieb, auch wenn sie massiv von den täterhörigen Innenpersonen beschimpft wurde, wollten wir Alltagspersonen unbedingt den Ausstieg schaffen und die täterhörigen Innenpersonen auf unsere Seite bekommen mit Hilfe unserer Therapeutin. Wir kämpften und kämpften, denn wir wollten nicht mehr gefoltert werden. Es dauerte lange, sehr lange, bis wir diese Personen auf unserer Seite hatten und sie lernten, dass es ein anderes Leben gibt, das besser ist. Sie mussten viel lernen und ausprobieren. Aber wir schafften es mit der Hilfe unserer Therapeutin nach und nach, unsere Therapie zu Ende zu bringen. Viele Innenkinder und auch Jugendliche wurden im Laufe der Therapie in andere Innenpersonen integriert, weil sie es wollten, da sie im heutigen Leben nicht zu Recht gekommen waren, oder weil sie keine Aufgabe für sich gefunden haben. Und so entschieden wir uns, heute mit sieben Innenpersonen weiter zu leben. Wir haben unser Leben unter uns aufgeteilt, damit nicht alles in eine Person geht, die dann die gesamten Erinnerungen, Schmerzen usw. übernehmen muss. So haben wir das intern besprochen und unsere Therapeutin hat uns dabei unterstützt.
Eine Integration hat bei uns wie folgt funktioniert: Ich, Nicki, habe einige Innenkinder in mir aufgenommen, sie sind in meinen Körper gegangen. Das war für mich sehr anstrengend und schmerzhaft. Denn dadurch bekam ich alle Erinnerung von diesen Kindern an das, was sie überlebt haben.
Im Jahr 2007 haben wir gemeinsam unsere Therapie beendet, nach fast 20 Jahren. Heute können wir sagen, wir leben ein gutes und glückliches Leben- wenn die massiven körperlichen Schmerzen und Behinderungen von der massiven Gewalt von früher uns auch immer wieder an die Folter erinnern . Aber wir leben ein lebenswertes Leben mit Freunden, einem Beruf, Freiheit und unserer Selbsthilfearbeit und Öffentlichkeitsarbeit für andere Betroffene, was uns sehr wichtig ist.
Vielen Dank
Nicki und die Bärenbande