Das „Höllenleben” eines Missbrauchsopfers
Die Glocke – Gütersloher Volkszeitung
Von Martin Neitemeier

Gütersloh (gl). „Kinder werden auch heute noch im Kreis Gütersloh rituell missbraucht.” Diese am Mittwochabend im in der ARD ausgestrahlten Fernsehfilm „Höllenleben” getroffene Aussage schockiert. Und sie hat Behörden und Institutionen auf den Plan gerufen. Die Polizei ermittelt. Die von Kreis und Stadt getragene Beratungsstelle „Wendepunkt” kann die Aussage zu Missbrauch in Verbindung mit Satanskult aufgrund ihrer Erfahrungen „nicht stützen”.

„Eine multiple Persönlichkeit auf Spurensuche” – unter diesem Untertitel zeichnet Autorin Liz Wieskerstrauch das „Höllenleben” einer heute 40-jährigen Verwaltungsangestellten nach, die in Gütersloh geboren wurde und aufgewachsen ist. Die Frau leidet an einer Identitätsstörung und hat deshalb nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Geschehnisse. Sexueller Missbrauch war bei ihr vor rund 30 Jahren aber an der Tagesordnung. Der Stiefvater wurde 1975 rechtskräftig verurteilt. Nach langer Therapie – selbst gemalte Bilder aus dieser Zeit prägen den Film mit – hatte sich die Frau entschlossen, Angaben zu den Straftaten zu machen. Mit der Autorin Liz Wieskerstrauch – sie wurde für ihr erstes Porträt einer multiple Frau (,„Die Seele brennt”) mit dem Film – und Fernsehpreis des deutschen Hartmannbundes ausgezeichnet – und einem Filmteam reiste die 40-Jährige an die Orte ihrer Kindheit: Friedhöfe, Flüsse, Häuser in und um Gütersloh. Aufgespalten in verschiedene Innenpersonen schildert die Frau auf bedrückende Weise, was ihr angetan wurde: Sexueller Missbrauch, satanische Praktiken, rituelle Treffen kommen zur Sprache. Dazu ist von Kindstötungen die Rede. Die Frau soll sogar gezwungen worden sein, ihr eigenes Kind zu töten. Dem entsprechend ermittelt die heimische Polizei ebenso wie die im Kreis Paderborn und im Raum Osnabrück wo weitere Tatorte vermutet werden. Dabei spielt auch die Wewelsburg eine Rolle. „Die Ungläubigkeit in der Gesellschaft ist der beste Schutz der Täter”, sagt Liz Wieskerstrauch. Und was macht die Polizei? Glaubt sie einer multiplen Persönlichkeit, die mit Anwältin und Kamera bei der Polizei in Gütersloh erscheint, um Anzeige zu erstatten? „Prinzipiell glauben wir einer solchen Frau”, so ein Polizeisprecher gestern zur „Glocke”. Aber die Ermittlungen sind auch nach Angaben der Bielefelder Staatsanwaltschaft sehr schwierig. Zudem sind einige Delikte verjährt. Für Hinweise ist die Polizei dankbar. Eine Telefon-Hotline (05241/8691330) ist geschaltet. Bis gestern Nachmittag gingen bei den Beamten drei Hinweise ein.

So steht weiter die Aussage im Raum, dass auch heute noch im Kreis Gütersloh Kinder rituell missbraucht würden. Die Frau, die das anonymisiert vor der Kamera behauptet, hat, steht dazu – auch wenn der Wendepunkt” dies nicht stützt. Sie komme aus einem Beratungsbereich, der einen anderen Ansatz als der „Wendepunkt” habe. „Ich bin überzeugt, dass die misshandelten Kinder aus diesem Milieu nicht herauskommen und immer noch Täterkontakte haben.” Unterdessen gab der Gütersloher Sozialdezernet Ansgar Wimmer eine Stellungnahme ab.