Freitag 14.12.01
Neue Westfälische im Internet
Gütersloherin sieht sich als Opfer ritueller Praktiken Gütersoh/Paderborn. Als Nicki die Wewelsburg betritt, wird sie zu Burghard, denn anders kann sie die Erinnerung nicht ertragen. „Hier ist es passiert”, spricht sie mit der Stimme eines kleinen Jungen,” hier habe ich gesehen, wie zwei Babys gequält und getötet wurden”. Die Schilderungen der Frau, am Mittwoch in der ARD ausgestrahlt, haben mehrere Staatsanwaltschaften veranlasst, Ermittlungen aufzunehmen.
Die 40-jährige Gütersloherin hat nach ihren Angaben schreckliche Dinge durchgemacht: Sie wurde von Mutter und Stiefvater sexuell missbraucht, für satanische Rituale abgerichtet und dabei maßlos gequält. Ihr Martyrium, so berichtet sie, begann im Kleinkindalter und setzte sich bis zur Volljährigkeit fort. Nicki ist heute eine als schwerstbehindert eingestufte Verwaltungsangestellte. Sie ist eine multiple Persönlichkeit, die aus mehreren Individuen besteht. Um trotz der traumatischen Erlebnisse weiterleben zu können, hat sie von ihrem Ich Teile abgespalten. Als Burghard berichtet sie von den Vorfällen auf der Wewelsburg. In der Gruft der ehemaligen Kultstätte der SS sei sie als 13-jährige von einer Satanssekte gefoltert und missbraucht worden. Lange schwarze Fahnen, bestickt mit umgedrehten Kreuzen und drei Sechsen, den Symbolen der Satanisten, hätten von der Decke gehangen.
Im ehemaligen Gruppenführersaal, heute bekannt als Marmorsaal, sei sie gezwungen worden, zwei Babies zu töten, darunter ihr eigenes. Danach habe sie das Herz ihres Kindes essen müssen. „Es passieren grauenvolle Dinge, die wir uns kaum vorstellen können”, sagt die Bielefelder Rechtsanwältin Heidi Saarmann, die die Gütersloherin vertritt. Sie kenne Schilderungen aus allen Bundesländern, wo Frauen und Kinder ebenfalls auf satanische Weise gequält würden. Ihre Mandantin sei die erste, die Anzeige erstattet habe und damit in die Öffentlichkeit gehe. „Wir wollen anderen Mut machen, diesen Schritt ebenfalls zu tun”, sagte Saarmann. „Es wird schwierig, die Vorwürfe aufzuklären”, sagte der Paderborner Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann gestern.
Die Vorfälle lägen lange zurück, zudem gebe es außer der Aussage der Frau bislang keine Beweise. Die Tatsache, dass die Frau eine multiple Persönlichkeit sei, erschwere die Ermittlungen. Die 40-jährige hatte sich im Spätsommer, nach Abschluss der Dreharbeiten, zu der Anzeige entschlossen. Die Kripo Gütersloh hat seitdem erste Ermittlungen eingeleitet und Zeugen vorgeladen. Bis auf die Kindstötung sind indes alle Delikte verjährt. Der Stiefvater war 1975 vom Amtsgericht Gütersloh wegen Missbrauchs zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Satanische Praktiken konnte das Gericht damals nicht nachweisen.