Gestorben 2001
Defizite
Wenn einen das Defizit zerreißt
muß man den Bedarf
dem Angebot anpassen.
Das bedeutet, Sehnsüchte
zu töten.
Sehnsüchte
Wenn ich Sehnsüchte
nicht stillen kann
muß ich sie töten
Wenn ich daran denke,
mich umzubringen,
so ist es wohl weniger mein Leben,
das ich töten möchte,
sondern vielmehr den Schmerz
unerfüllbarer Sehnsüchte.
Was bleibt ist ein Über-Leben.
Claudia Stapelfeld
Die Kunst der Willens-Äußerung
Ihr wollt, daß ich erwachsen handel?
Daß lerne zu sagen, was ich will?
Ich sei doch therapieerfahren?
Ihr wollt es mir nicht mehr abnehmen?
Nicht mehr?!
Was heißt hier nicht mehr?
Mir wurde noch nie etwas abgenommen!
Meine Eltern wollten nichts hören
in der ersten Therapie hatte ich keinen Willen
in der nächsten wollten sie meinen Willen brechen
in der dritten gingen sie davon aus, daß ich es schon gelernt hätte.
Jetzt denken viele, ich hätte keinen Bedarf an Unterstützung.
Im allgemeinen begegnet man überwiegend Situationen, in denen die klare Äußerung eines Willens als ausbeutende Forderung erlebt wird, wohingegen das anbiedernde Bitten und Wünschen auf gönnerhaft Nachgiebigkeit trifft.
Also. Was wollt ihr eigentlich wirklich?
Denn es scheint um euch zu gehen, nicht um uns.
Claudia Stapelfeld
Schon deswegen – ( selbstzerstörerischer Trotz)
Schon deswegen, damit ihr euch
nicht aus der Verantwortung stehlt
darf es uns nicht gut gehen.
Schon deswegen, damit ihr
zu euren Fehlgriffen steht
müssen wir noch bleiben.
Schon deswegen, damit ihr nicht denkt,
es sei nichts gewesen,
dürfen wir nicht vergessen ( obwohl wir nicht erinnern)
Und ihr müßt bezahlen
müßt anerkennen
und wiedergutmachen
den Schaden,
dein ihr uns zugefügt habt.
Dann laß uns gehen
Mit der Schuld, die ihr nun tragt
und eurem Pech,
das es uns überhaupt gegeben hat
Soll`n wir uns dafür entschuldigen
(Wir ) C. Stapelfeld
I. Der sichere Ort
Wie wollen mich an einen sicheren Ort schicken?
Welch leidiges Thema!
Zwischen grenzenloser Verzweiflung
und wutentbrannter Abwehr hin- und hergerissen
stürzt es mich jedesmal in Hoffnungslosigkeit,
in ein allumfassendes Versagensgefühl.
Dort, am „sicheren Ort“, bin ich unendlich einsam,
fühle mich ausgesetzt, verstoßen.
Verdammt dazu, mich selbst zu retten.
Kein Gefühl von Bedrohung durch das Außen.
Das Allein-Sein, allein das Sein, macht die Angst.
Wie soll diese Unzulänglichkeit behoben werden?
„Komm’ alleine damit klar,
sei ein braves Kind.
Behellige uns nicht
mit Deinem Verlangen nach Nähe und Geborgenheit.
Stell’ Dir etwas Schönes vor.
Gucke ein wenig freundlich.“
Ich lächel. – Also darf ich sein.
Ich sterbe vor Einsamkeit und Verlangen.
– Also bin ich.
Irgendwie.
Notgedrungen.
Ungefragt.
Ungewollt.
„Aber lächel! – Dann darfst Du bleiben.“
Schickt ich ruhig an einen „sicheren Ort“.
Damit ihr nicht zusehen und erkennen müßt,
daß ich sterbe.
Das Grausame ist, Ihr laßt meine Hülle überleben,
Ihr perfektioniert sie sogar für Eure Zwecke.
Ihr laßt mich nicht ganz gehen.
Verdammt dazu, in Schmerz und
Unzulänglichkeit zu vegetieren.
Danke
Ich habe gelernt, Danke zu sagen.
Dafür Dank.
„Jede muß lernen, sich selbst genug zu sein.“
Was aber ist es, das fehlt?
Und wenn ich das schon nicht weiß,
wie soll ich es dann beheben?
Es einfach draufankommen lassen?
Wenn man von innen mit Säure verbrannt wird?
Fühlt erst einmal selbst diese Schmerzen,
bevor Ihr solche Grausamkeiten fordert!
Eure Hoffnung auf Besserung
Ist Euer Wunsch,
nicht länger behelligt zu werden.
Allein es als Betrachterin nicht länger
( er- )tragen zu müssen.
Aber es ist o. k.
Ihr macht nichts anderes als die Menschen früher.
Es scheint also mein Problem zu sein,
daß ich den gegenstandslosen Traum habe,
einmal etwas anderes zu ( er- ) leben.
Doch, wo kein Wasser ist,
kann man auch keine Früchte ernten.
Der Samen ist gesetzt, gekeimt und angegangen,
aber alles wird langsam ausdörren und sterben.
Schickt mich ruhig an einen anderen Ort
– für Eure Sicherheit.
Camille
von Claudia St.
II. Der „sichere Ort“ – Zustand oder Gegenstandslos
Einen sicheren Ort soll ich finden?
Ihr wißt, wie ich dazu stehe.
Ich habe etwas gefunden.
Es soll kein Ort sein.
Es geht nicht um Sicherheit.
Ich suche und sehne mich
nach einem Zustand.
Ein Dümpel- Träum- und Schlummer-Zustand.
Nicht schlafen, bitte nicht.
Ich möchte liegen
ohne Schmerzen.
Weicher, sich anpassender Untergrund,
den Körper nicht ( durch die Schmerzen ) fühlen müssen.
Blumen stehen in vollem Blute
Blumen stehen
Im Bäume – Wald
Senken ihre Blüten
und speisen das Blut
aus offenen Kelchen
________ hinein in die Welt
voll Trauer und Schmerz
Nein – sie blühen nicht
__________ sie bluten
Und unaufhaltsam
Ergießt sich das dunkelrote Gesöff
In meines Baumes hohle Wurzel
In meines Leibes Innere
_____hinein in ein Leben
voll Trauer und Schmerz
Nein – ich lebe nicht
____ ich blute
Es würgt mich
es schaudert mich
es fasziniert
und ärgert mich.
Die Wunden sollen heilen
die Blumen blühen
Nein – ich liebe nicht
_____ ich wüte
Claudia