FAQ – Häufig gestellte Fragen
Diese und ähnliche Fragen werden uns in Vorträgen, bei Filmvorführungen oder in Workshops immer wieder gestellt. Deshalb beantworten wir einige davon öffentlich. (Stand 10.3.2019)
Könnt ihr uns Tipps geben, wie wir mit Arztbesuchen umgehen könnten, denn es löst bei uns immer wieder viel aus?
Wenn wir als multiples System zum Arzt gehen, sind ja vielleicht nicht alle Innenpersonen krank. und manche haben mehr Angst vor Ärzt.innen, andere weniger.
Wir können nur das schreiben, was wir in der Therapie gelernt haben. Wichtig fanden wir, dass alle Innenpersonen, die nicht zum Arzt mussten, im Inneren ganz weit nach hinten gehen in einen geschützten Raum, damit sie von der Untersuchung möglichst wenig mitbekommen. Und wichtig fanden wir, dass wir uns immer wieder sagten, dieser Arzt möchte uns helfen. Wenn wir dann merkten, dass der Arzt oder die Ärztin sehr offen ist, haben wir auch angefangen, von der DIS zu erzählen. Was sehr oft positiv war, aber auch manchmal nicht so gut angekommen ist. Da muss man sich vortasten und immer wieder prüfen, ob es okay ist.
Mittlerweile sind wir seit einigen Jahren sehr offen, was unser Viele-Sein betrifft. Wir erzählen es den Ärzten und auch bei bestimmten Behörden. Nicht bei allen, weil wir wissen, dass es uns nicht weiterbringen würde. Es ist so, dass wir auch schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht haben, aber auch viele positive Erfahrungen. Wir hatten mal eine Ärztin, die hatte für einzelne Personen von uns jeweils eine Karteikarte angelegt, das fanden wir schon super und auch aufmerksam. (Hinweise auf besondere Therapieformen für schwersttraumatisierte Menschen sammeln wir hier.)
Kennt Ihr Therapeutinnen oder Kliniken, die noch Plätze frei haben und die sich auch mit DIS auskennen?
Nein, wir kennen zwar Therapeutinnen, die wir auch gut finden und mögen, aber jedes System braucht etwas anderes, deshalb machen wir keine Empfehlungen. Bei Vielfalt e.V. gibt es eine Liste, wo man schauen kann, ob was in eurer Nähe ist.
Habt ihr Adressen, wo man unterkommen kann, wenn bestimmte Tage im Jahr kommen?
Nein, haben wir nicht. Auch was Kliniken und Therapeuten angeht, können wir nichts empfehlen und das tun wir auch nicht, da jede oder jeder ganz andere Hilfsmöglichkeiten sucht und braucht. Es gibt Vielfalt e.V. in Bremen, die da vielleicht weiterhelfen könnten.
Was macht ihr bei einem Flashback?
Ein Flashback wird durch einen Reiz ausgelöst. Nach diesem Auslöser erlebt man plötzlich und kraftvoll ein früheres Ereigniss oder einen früheren Gefühlszustand noch einmal. Das können sehr verschiedene Gefühle sein: Angst, Schmerzen, aber auch Freude oder Trauer. Wenn man in diesen Zustand gerät, nimmt man das aktuelle Außen nicht mehr wahr. Man ist dann völlig in der Situation, die durch den Reiz ausgelöst wurde und denkt, dass das alles hier und jetzt passiert. Es kann manchmal mehrere Stunden dauern, bis man wieder ansprechbar und wieder im Jetzt ist.
Was hat Euch geholfen bei einem Flashback?
Heute haben wir keine Flashbacks mehr. Damals, als wir häufig Flashbacks hatten, war es für uns wichtig, dass man uns in dieser Zeit nicht berührt. Warum das bei uns so massiv war, wissen wir nicht. Es war wichtig, besonders leise auf uns einzureden und immer wieder zu sagen: „Das, was du gerade fühlst und siehst, ist viele Jahre her.“ Damit kamen wir dann auch wesentlich schneller auf diesen Flashback heraus.
Wir empfanden diese Flashbacks immer als sehr anstrengend und brauchten immer einige Zeit, um uns davon zu erholen.
Was macht ihr bei Zeitverlusten?
Wir haben lange geübt in unserer Therapie, dass wir keine Zeitverluste mehr haben. Wir haben uns Bücher angeschafft, wo jeder von Innen hineingeschrieben hatte, was er an dem Tag gemacht hatte. Zu Anfang lief das überhaupt nicht. Aber dann ging es nach und nach besser.
Als wir das damals hatten, dass jemand anderes den Körper übernommen hatte und eine Personen dann in einer anderen Stadt wach geworden war, rief sie sofort bei der Therapeutin an oder bei anderen Freunden, die genau wussten, wie wir wieder heim kommen könnten. Aber auch das haben wir schon viele Jahre nicht mehr erlebt. Heute kann einem dabei ein Handy helfen, damals hatten wir soetwas noch nicht. Und man muss natürlich auch aufpassen, denn wenn ein Smartphone die eigene Position preis gibt, können vielleicht auch die Täter.innen darauf zugreifen. Man sollte die Funktion „Ortungsdienste zulassen“ beim Handy so oft wie möglich abschalten.
Was macht ihr bei Panikattacken?
Panik hatten wir schon sehr lange nicht mehr. Aber wir merken schon, wenn wir Autos sehen mit dreimal sechs oder das Kennzeichen aus unserer Geburtsstadt oder so, dass unser Herz schneller schlägt. Aber wir beruhigen uns dann immer, dass es viele solche Kennzeichen gibt, ohne dass die Menschen wissen, was drei Sechsen bedeuten.
Wie geht es euch mit Beruhigungstabletten?
Vor Jahren hatten wir mal Beruhigungsmittel erhalten. Was aber bei uns völlig nach hinten losgegangen ist. Ich, Nicki, wurde ruhig, und bei Gina ist es genau das Gegenteil gewesen. Sie wurde total aggressiv. Seit dieser Zeit nehmen wir solche Medikamente nicht mehr. Was wir mal gemacht hatten, war Globulis zu nehmen, das ging ganz gut. Ob deshalb, weil sie wirken (das ist ja sehr umstritten) oder nur, weil wir dran geglaubt haben, ist uns ganz egal. Wenn es hilft, ist es gut.
Glaubt ihr alles, was euch Betroffene erzählen?
Ja, das tun wir, solange wir nichts anderes herausgefunden haben. Warum sollten sich Menschen so etwas ausdenken? Es gibt absolut keinen Grund dafür für uns. Wegen der Aufmerksamkeit, sagen manche – aber sehr viele Betroffene leben total isoliert und können mit niemandem darüber reden. Es macht also gar keinen Sinn.
Wie habt ihr es geschafft, euch von der Sekte zu lösen?
Es war ein harter Weg für uns und hat auch viele Jahre gedauert, bis wir alle gemeinsam es geschafft hatten. Wichtig ist, sich komplett aus der Umgebung von den Tätern und Täterinnen zu entfernen. Wir kamen damals in eine Pflegefamilie und haben alles andere hinter uns gelassen. Leider waren wir noch minderjährig, dadurch hatte unsere Familie über das Jugendamt unsere Adresse. Aber wir haben auch selbst den Kontakt gehalten, weil wir uns innerlich noch nicht von unserer Mutter und unseren Geschwistern lösen konnten. Dadurch gab es auch weiter Übergriffe. Wer kann, sollte wirklich niemandem die neue Adresse usw. geben.
Wirklich in Ruhe gelassen haben uns die Täter.innen erst nach unserem Film „Höllenleben“, weil wir sehr stark in die Öffentlichkeit gegangen sind und es für die Täter.innen gefährlich war, den Kontakt zu uns zu halten. Weil wir ja auch Anzeige erstattet hatten und aktiv ermittelt wurde. Da sind viele Umstände zusammen gekommen und wir hatten viel Glück. Öffentlichkeitsarbeit hilft sicher nicht jeder und jedem und man muss auch gucken, wie viel Wirkung so ein Schritt für die eigene Sicherheit wirklich hat. Bei uns damals war es 2001, heute funktionieren auch die Medien sehr anders.
Warum setzt ihr euch der Gefahr aus, an die Öffentlichkeit zu gehen?
Wir wollten einfach nicht mehr schweigen über die Gewalt, die wir erlebt haben. Darüber muss gesprochen werden, damit sich etwas ändern kann.
Wir haben natürlich viel Angst gehabt, als der Film ausgestrahlt wurde, und der weiße Ring hat uns auch die Möglichkeit finanziert, ein, zwei Wochen weg zu sein. Vor allem innere Skrupel hatten wir viel. Aber im Nachhinein müssen wir sagen: Für uns persönlich war es keine Gefahr. Die Täter.innen haben uns nichts getan nach Ausstrahlung unseres Filmes. Wie wir oben schon geschrieben haben: Da sind viele Umstände zusammen gekommen und wir hatten viel Glück. Öffentlichkeitsarbeit hilft sicher nicht jeder und jedem und man muss auch gucken, wie viel Wirkung so ein Schritt für die eigene Sicherheit wirklich hat. Bei uns damals war es 2001, heute funktionieren auch die Medien sehr anders.
Habt ihr heute noch Angst vor den Tätern und Täterinnen?
Nein, haben wir nicht. Denn wir sind so bekannt und kennen inzwischen viele Menschen persönlich, die in Beratungs, bei der Polizei oder in der Politik arbeiten, dass es sehr gefährlich wäre, uns etwas zu tun. Auch ist unsere Geschichte von früher aktenkundig, somit werden uns die Leute von früher in Ruhe lassen.
Wie habt ihr es geschafft, ein neues Leben zu führen?
Es war ein steiniger Weg, den wir gegangen sind. Ohne unsere Therapeutin, die 20 Jahre für uns da gewesen ist, hätten wir es nie geschafft. Aber wir auch unser eigener Wille, mal ein besseres Leben zu haben, wo es uns gut geht, war sehr groß und ist auch noch groß. Wir sind glücklich mit dem, was wir erreicht haben. Unser Dank gilt den Menschen, die für uns damals immer da waren und heute da sind.
Wie kann man Suizid-Programme auflösen?
Dazu hat eine Therapeutin mit einer ihrer Klientinnen etwas aufgeschrieben, was sie hier herunterladen können.
Link: Artikel Suizidprogramme
Hier gibt es weiteres Infomaterial, das wir als Verein hergestellt haben.