Vortrag Witten am 04.05.2011, Nicki und die Bärenbande und Claudia Fischer

 

Seit 1987 sind wir in Therapie. Seit 1991 wissen wir, dass wir viele sind. Wir sind aufgewachsen in einem satanischen Kult.

Wie kam es zu dem Film ,,Höllenleben – Eine multiple Persönlichkeit auf Spurensuche“? Im Jahr 1999 erzählte uns unsere Therapeutin uns von der Anfrage von Frau Wieskerstrauch,  dass sie einen Film drehen möchte und zwar mit einem multiplen System, das schon so weit ist, dass es an Tatorte gehen kann und vieles mehr. Wir wissen nicht, wie lange wir brauchten, um für uns alle klar zu haben, dass wir so einen Schritt machen wollten. Unsere Therapeutin hatte sich raus gehalten. Sie meinte: ,,Wenn ihr diesen Schritt geht, dann unterstütze ich euch dabei so gut wie ich es kann.“

So nahmen wir Kontakt mit Frau Wieskerstrauch auf. Wir trafen uns zuerst alleine an einem neutralen Ort und wir hörten uns an, was sie von uns möchte und ob dies überhaupt für uns geht. Nach einigen Treffs duzten wir uns, was einfacher war für beiden Seiten. Liz kam auch mit zur Therapeutin, um zu lernen, was sie tun muss, falls wirklich etwas passieren sollten während der Dreharbeiten. Wie sie z.B. jemanden von uns wieder zurückholen könnte aus einem Flashback, falls wir das nicht selbst wieder hinbekommen. Wir lernten dann Guido Grandt kennen, Journalist und Buchautor aus Süddeutschland. Den fanden wir zuerst sehr unheimlich, so distanziert, so unnahbar. Da wir bzw. ich, Nicki, sehr empfindlich bin, was Energien angeht, merkte ich bei ihm fast nichts. Und das verunsicherte mich und auch die Anderen. Aber je mehr er sich mit uns unterhielt, umso mehr merkten wir, wie sehr er an unserer Geschichte interessiert war. Er sollte schon mal einiges recherchieren. Dann kam für uns wirklich das schwierigste, und zwar das Kamerateam und die große Kamera. Wir sind nämlich während unserer Zeit im Kult häufig bei Quälereien und Vergewaltigungen gefilmt worden, deshalb waren Kameras ein großer Trigger. Das Kamerateam bestand aus einem älteren und einem ganz jungen Mann, aber beide sehr, sehr nett. Wir konnten uns die Kamera genau ansehen usw. Die ganze Vorbereitung auf unsere Drehtage im Kreis Gütersloh, wo wir unsere Kindheit verbracht haben, haben insgesamt fast 1 ½ Jahre gedauert, bis wir soweit waren, um diesen Film zudrehen.

Die Dreharbeiten waren von Tag zu Tag anstrengender für uns. Es kostete uns sehr viel Kraft. Erinnerungen kamen. Gerade wenn wir an Orten waren, wo sich unser Körper massiv an Gewalttaten erinnerte, kam z.B. auch Burghardt heraus. Wir schauen jetzt mal eine Szene bei der Iburg.

 

Siehe:  PowerPoint

 

Das schlimme an dieser Szene war, dass das Kamerateam vergessen hatte, die Kamera einzuschalten, weil die Erinnerungen und Burghardt auch sehr schnell raus gekommen waren. Deshalb drehten wir diese Szene noch mal. Vielleicht sieht es deshalb so im Film aus, dass Burghardt in einem Flasback sei, aber das ist nicht der Fall. Denn ich, Nicki kam rechtzeitig nach Vorne um ihn zu schützen.

 

 

Siehe: PowerPoint

 

Heute würden wir so was niemals wieder tun, weil uns dieser Tag wirklich an eine körperliche Grenze gebracht hatte. Wir waren immer sehr dankbar das unsere Therapeutin jeden Abend für uns Zeit hatte, um mit uns zu sprechen. Ohne ihre Unterstützung hätten wir sicherlich diese Woche nicht überstanden.

 

Noch eine Szene empfanden wir als sehr belastend und das war in der Wewelsburg als Tony draußen war.

 

Siehe: PowerPoint

 

Als wir das gesehen hatten, waren wir so voller Mitgefühl für ihn und wollten ihn nur noch beschützen. Er war so hilflos, so ausgeliefert. Aber er wollte diese Aussagen machen und das war für uns alle in Ordnung. Es war seine Aufgabe, zu erzählen, dass wir dort selbst ein Kind töten mussten, und zwar unser eigenes. Die konkrete Schilderung ersparen wir Ihnen in diesen Filmausschnitten.

 

Es gab auch nicht so anstrengende Drehtage, wo andere befragt wurden und wir uns einfach etwas erholen konnten. Oder als wir unseren Geburtstag feiern durften, was vom Sender übernommen wurde.

 

Viele Jahre sind seit dem Film „Höllenleben“ vergangen und heute würden wir oder machen wir einiges anders. Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen, passen da eher auf und schauen uns genau an, was ein Journalist oder Journalistin von uns möchte. Damals bei Liz wussten wir noch nicht, wo wir sagen können „Bis hierhin und nicht weiter“.

 

Wir hätten bei der Szene mit Burghardt nicht wiederholen dürfen. Wir hätten sagen müssen, „hier brechen wir ab und machen sie vielleicht am anderen Tag noch mal“. Aber nicht gleich hintereinander.

Oder dass wir manchmal bis in die Nacht gedreht hatten, als wir was vorgelesen hatten aus unseren Tagebüchern, und und und.

 

Und was wir heute auch wissen ist, dass wir Rechte haben. Wir waren damals sehr froh, dass die Journalistin Ulla Fröhling uns sagte, „denkt daran, dass die Rechte an euren Bildern bei euch bleiben“. Das war ein sehr guter Tipp, sonst wären diese Rechte auch weg gewesen.

 

Nach einer Woche Dreharbeiten sind wir erschöpft aber froh nach Haus gefahren. Es stand dann unser Urlaub an, den wir geplant hatten.

 

Dann kamen für uns etwas, was uns total sauer machte und wir überhaupt nicht kapierten, was der Sender und Liz jetzt wieder von uns wollte. Sie wollten von uns, dass wir uns unser Knie röntgen lassen. Wir sahen darin keinen Sinn, denn es waren unendlich viele Jahre vergangen, als unser Knie gebrochen wurde und wir wollten doch eigentlich in den Urlaub fliegen. Ein Tag vor unserem Abflug bekamen wir dann noch den besagten Termin in der Klinik. Und liessen es machen.

 

Je näher der Termin der Ausstrahlung des Filmes kam, desto mehr Angst bekamen wir, dass wir doch vielleicht was falsch gemacht hatten mit dem Film. Und die Täterinnen uns nun doch umbringen werden.

 

Im Dezember 2001 wurde, Höllenleben“ ausgestrahlt. Wir waren bei Liz privat eingeladen. Dort waren noch andere vom Sender, soviel wie wir noch wissen.

 

Nach Ausstrahlung des Filmes sind wir eine Woche untergetaucht. Wir waren in einem Kurort im Harz und bekamen Vollverpflegung und Kuranwendungen. Dreimal am Tag mussten wir uns mit einer eigens dafür angelegten Handynummer bei verschiedenen Leuten melden, damit sie wussten, dass es uns gut geht. Diese Woche wurde vom Weißen Ring bezahlt mit allem drum und dran. Nach der Woche kamen wir wieder heim. Und nichts passierte.

 

Sogar als wir den Film wenig später öffentlich vorführten und sogar Polizeischutz dort war, passierte nichts. Die Täterinnen ließen uns in Ruhe. Seit der Ausstrahlung haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Null.

 

Viele Betroffene hatten sich gemeldet und es hatten sogar sich welche bei der Polizei gemeldet. Auch eine Frau die uns als Kind kannte und uns wohl misshandeln musste. Wir hatten nicht die Kraft und auch nicht den Mut, diese Frau kennen zulernen.

 

Während der Dreharbeiten hatten wir eine Anzeige erstattet. Dies haben wir entschieden, ohne Druck des Kamerateams. Die Ermittlungen wurden erst im Jahr 2010, also nach fast 10 Jahren, eingestellt.

 

Siehe: PowerPoint

 

Liz Wieskerstrauch kam auf die Idee, so schnell wie möglich einen zweiten Teil zu bringen. Also „Höllenleben II“ mit vielen Betroffenen, die sich in die Öffentlichkeit trauten, offen vor der Kamera oder auch verdeckt. Das war für uns schwierig, das würden wir so nicht wieder machen. Wir fuhren zu Tätern mit versteckter Kamera oder zu unserer Schwägerin, die einfach nur eklig war, und und und. Und von alldem wurde in „Höllenleben II“ nichts gebracht, nur der Teil wo wir sagten, dass uns die Täterinnen in Ruhe gelassen hatten seit der Ausstrahlung von „Höllenleben 1“. Wir haben dann unsere Zusammenarbeit mit Liz beendet, da wir nicht mehr dahinter stehen konnten.

 

Siehe PowerPoint

Wir haben ja eine eigene Homepage, haben eine Selbsthilfezeitung für Betroffene gehabt und betreiben jetzt ein Forum im Internet usw. Für diese Selbsthilfearbeit wollten wir gerne noch einen anderen Film: Irgendwann  redeten wir mal darüber, dass wir mal ein Film haben möchten über unseren Alltag. Damit Betroffene auch sehen können, dass es zu schaffen ist, ein ganz normales Leben leben zu können. Auch wenn es viele Jahre dauert, bis man soweit ist. Claudia kam dann auch auf die Idee, diesen Film selbst zu finanzieren und sprach noch mit zwei anderen Frauen und sie fanden die Idee auch sehr gut. Und so entstand der Film, Ein Körper mit System“.  Den Film zu drehen machte uns sehr viel Spaß, auch wenn wir alle erst einmal einiges an Geld in die Produktion hineinstecken mussten und nicht wussten, ob der Film überhaupt ankommen würde.

 

Da Bessy Albrecht – Ross und wir einen Selbsthilfe-Kongress in Oldenburg für das Jahr 2005 planten, wollten Claudia und die Kamerafrau sehen, dass bis dahin der Film fertig ist, um ihn dort vorzustellen. Was auch klappte. Und der Film verkaufte sich hervorragend. Es war ein großer Erfolg bis zum heutigen Tage, auch wenn er nie irgendwo ausgestrahlt wurde. Eine einfache Homepage www.nickis-filme.de und Mundpropaganda haben offensichtlich ausgereicht. Der Film hat sich inzwischen über 500 Mal verkauft.

 

Zur Erklärung für den folgenden Ausschnitt: Es wirken 5 Innenpersonen von uns mit: Nele (8 Jahre alt), ich, Nicki, Gina, und zwei Männer, die Sie schon kennen gelernt haben: Burghardt und Tony. Wir zeigen Ihnen das Ende, das finden wir besonders schön.

 

Siehe: Siehe PowerPoint

 

Wir gehen sehr gerne auf Vorträge oder auch mit unserem Film ,,Ein Körper mit System“ auf Filmvorführungen. Uns ist es sehr wichtig geworden, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, warum wir entstanden sind usw.

Sihe PowerPoint

Körper mit System Konzept

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Regeln für gute Interviews

Fotos Wewelsburg heute

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Witten